Zwischenspiel - Der Blutegel und die Libelle

Eine Libellenlarve, die in einem Tümpel lebte, verspürte den unwiderstehlichen Drang nach oben, um neue Luft zu schöpfen. Dabei wurde sie von einem Blutegel des Öfteren beobachtet, der ihr eines Tages deswegen Vorwürfe machte:

„Habe ich vielleicht jemals das Bedürfnis nach dem, was du ‘Himmelsluft‘ nennst?“

„Ach“, erwiderte die Libellenlarve. „Ich habe nun einmal diese Sehnsucht. Ich habe sogar schon versucht, an der Wasseroberfläche nach dem zu schauen, was darüber ist. Da sah ich einen hellen Schein, und merkwürdige Schattengestalten huschten über mich hinweg.“

Der Blutegel krümmte sich vor Lachen.

„Du bist verrückt, du meinst tatsächlich, über diesem Gewässer gibt es noch etwas? Glaube mir als einem erfahrenen Mann: Ich habe den ganzen Raum wieder und wieder durchschwommen. Das hier ist die Welt. Es gibt nichts außerhalb.“

„Aber ich habe doch den Lichtschein gesehen und den Schatten“, verteidigte sich die Libellenlarve.

„Hirngespinste! Was du fühlen und betasten kannst, das ist das Wirkliche“, antwortete der Blutegel.

Aber es dauerte nicht lange, da erhob sich die Libellenlarve aus dem Wasser, es wuchsen ihr Flügel, und sie schwebte schimmernd dem kleinen Tümpel davon, von goldenem Sonnenlicht umspült.

Sie ward von dem Blutegel nie mehr gesehen.