Verpflichtung zur Drittmengenabgrenzung

Unternehmen, die für ihre Stromversorgung Begünstigungen bei Umlagen und Steuern in Anspruch nehmen, sind schon mit vielen Pflichten konfrontiert, die mit ihrem Kerngeschäft nichts zu tun haben und einen erheblichen Aufwand verursachen. Ein Bereich dieser Pflichten war bisher nur rudimentär gesetzlich geregelt, nämlich die Frage, wie die vom Unternehmen selbst verbrauchten Strommengen, für die Begünstigungen in Anspruch genommen werden, zu erfassen und von den Strommengen abzugrenzen sind, die von einem Dritten verbraucht werden. Der Kreis dieser Dritten ist in der Praxis groß: z. B. Handwerker, Reinigungsdienstleister, Kantinenbetreiber, Gäste, Berater oder gar die eigenen Mitarbeiter des Unternehmens.

Nun hat der Gesetzgeber mit dem sog. Energiesammelgesetz (BGBl. I 2549) die neuen §§ 62a, 62b, 104 Abs. 10 rückwirkend zum 1.1.2018 in das EEG eingeführt. Diese neuen Vorschriften regeln in erster Linie die Abgrenzung von Strommengen, für die die volle oder anteilige EEG-Umlage zu zahlen ist, als Grundlage für deren Erhebung. Sie gelten aber auch für das Antragsverfahren der Besonderen Ausgleichsregelung beim BAFA und für die Netzumlagen (KWKG-, § 17f EnWG- und § 19 StromNEV-Umlage). Damit hat der Gesetzgeber die bis dahin bestehenden Unsicherheiten bei der Bestimmung der umlagepflichtigen und selbst verbrauchten Strommengen und deren Abgrenzung von anderen Strommengen aber nicht behoben. Denn die neuen Vorschriften enthalten viele unbestimmte Rechtsbegriffe und treffen an vielen maßgeblichen Stellen keine eindeutigen Festlegungen. Auch die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/5523) leistet kaum einen Beitrag zur Auslegung der Vorschriften nach deren Sinn und Zweck und dem Willen des Gesetzgebers, weil sie teilweise widersprüchlich ist. Zudem sind die neuen Vorgaben im Zusammenhang mit den Umlagen nicht mit den Regelungen abgeglichen, die im Strom- und Energiesteuerrecht gelten. Dies stellt sowohl die Unternehmen als auch deren Wirtschaftsprüfer und Berater vor erhebliche Probleme in der Rechtsanwendung.

Vor diesem Hintergrund hat das BAFA in einem neuen Hinweisblatt versucht, die insoweit von ihr zu erwartende Verwaltungspraxis zu konkretisieren. Den gleichen Weg ist die BNetzA gegangen, die ebenfalls einen Hinweis zum Messen und Schätzen zur Konsultation gestellt hat. Während das Hinweisblatt des BAFA mit fünf Seiten relativ kurz gefasst ist, umfasst der Hinweis der BNetzA mehr als 50 Seiten, woraus deutlich wird, welchen Konkretisierungsbedarf die Behörde sieht. Im Ergebnis steht der für die Unternehmen verursachte Abgrenzungsaufwand in einer Vielzahl von Fällen wohl kaum noch in einem angemessenen Verhältnis zum beabsichtigten Nutzen.

1.     
Messpflicht für selbst verbrauchte und weitergeleitete Strommengen

Nach § 62b Abs. 1 EEG sind Unternehmen verpflichtet, die selbst verbrauchten und weitergeleiteten Strommengen mittels mess- und eichrechtskonformer Messeinrichtungen zu erfassen. Zur Abgrenzung der maßgeblichen Strommengen muss zunächst bestimmt werden, welche Strommengen tatsächlich selbst vom Unternehmen verbraucht wurden. Nach der Gesetzesbegründung zum sog. Energiesammelgesetz soll hierfür ausschlaggebend sein, ob das Unternehmen im maßgeblichen Nachweiszeitraum Betreiber der jeweiligen Stromverbrauchseinrichtung war. Der Gesetzgeber sah sich aber nicht veranlasst, hierfür die Betreiberstellung gesetzlich zu definieren. Stattdessen beschränkt er sich auf den Hinweis in der Gesetzesbegründung, dass zur Bestimmung der Betreibereigenschaft bezüglich eines Verbrauchsgeräts grundsätzlich auf die von der Rechtsprechung und der BNetzA in ihrem Leitfaden zur Eigenversorgung herausgearbeiteten Kriterien zur Bestimmung des Betreibers einer Stromerzeugungsanlage zurückzugreifen sei. Deshalb sei maßgeblich, wer die tatsächliche Herrschaft über die elektrischen Verbrauchsgeräte ausübt, wer ihre Arbeitsweise eigenverantwortlich bestimmt und das wirtschaftliche Risiko trägt. In Zweifelsfällen führe insbesondere das Kriterium des wirtschaftlichen Risikos im hypothetisch anzunehmenden Fall des Ausfalls des Verbrauchsgeräts zu einer trennscharfen Abgrenzung (BT-Drs. 19/5523, S. 81 f.). Hieraus leiten das BAFA und die BNetzA die Anforderung ab, dass alle drei genannten Betreiberkriterien vom Unternehmen zu erfüllen seien, um eine selbst verbrauchte Strommenge anzunehmen.

Diese Ansätze berücksichtigen nicht, dass nach der bisherigen Rechtsanwendung die Betreiberstellung in einer Gesamtwürdigung des Einzelfalls bestimmt wird. Diese verbietet jede schematische Betrachtung oder die Herausstellung eines einzelnen Kriteriums, auch wenn dies der Vereinfachung dienen soll. Zudem wird gerade das Kriterium des wirtschaftlichen Risikos in der Praxis gerade nicht den Ausschlag geben können, wenn man zu sinnvollen Ergebnissen kommen will. Dies gilt z. B. für Leasingmodelle oder ähnliche Nutzungsverhältnisse über Verbrauchsgeräte (z. B. für Kopierer), in denen das wirtschaftliche Risiko regelmäßig beim Leasinggeber liegt, über den Stromverbrauch aber ausschließlich der Leasingnehmer bestimmt, der hierfür auch die Kosten trägt. Gerade bei der Betreiberstellung hinsichtlich eines Verbrauchsgeräts scheint es eher naheliegend, dem Kriterium der Bestimmung der Arbeitsweise eine besondere Bedeutung beizumessen, wenn man schon Unterschiede in der Gewichtung der angeführten Kriterien machen will.
Geradezu absurd wird es, wenn man diese Ansätze mit den Vorgaben des Strom- und Energiesteuerrechts abgleicht. Denn nach einem Informationsschreiben der Generalzolldirektion vom 29.03.2019 soll für die Entstehung der Steuer und eines Entlastungsanspruchs der „Realakt“ des Steuerns und Bedienens einer Anlage maßgeblich sein. Unerheblich soll dagegen sein, wer in den Verträgen zwischen den Parteien als Betreiber benannt ist bzw. das wirtschaftliche Risiko des Anlagenbetriebs trägt. Danach ist die Betreiber- bzw. Verwenderstellung für eine Strom- oder Energiesteuerentlastung nach anderen Maßstäben zu bestimmen, als die Betreiberstellung für eine Umlagenbegünstigung. Dies ist gegenüber den betroffenen Unternehmen kaum vermittelbar.

2.     
Zurechnung von Bagatellverbräuchen

Nach § 62a EEG besteht die Möglichkeit der Zurechnung von Bagatellverbräuchen Dritter, mit der Konsequenz, dass diese nicht durch mess- und eichrechtskonforme Messung abgegrenzt werden müssen. Ein solcher Bagatellverbrauch ist aber nur anzunehmen, wenn er geringfügig ist, üblicherweise und im konkreten Fall nicht gesondert abgerechnet wird und auf dem Grundstück oder dem Betriebsgelände des Unternehmens von dem Dritten erfolgt. Das BAFA verweist zur Konkretisierung auf die in der Gesetzesbegründung zum sog. Energiesammelgesetz aufgeführten Beispiele für im Bereich des sozialadäquaten liegende Bagatellverbräuche, wie der Stromverbrauch von Gästen, Passagieren, externen auf Werkvertragsbasis beschäftigten Reinigungsdiensten oder Handwerkern sowie der Stromverbrauch beim Handyladen oder Teekochen am Arbeitsplatz (vgl. BT-Drs. 19/5523, S. 83), und fügt als weitere Beispiele den Stromverbrauch von Arbeitsplatzcomputern und ähnlichen Bürogeräten, Feuermeldern oder Überwachungskameras hinzu (BAFA, Hinweisblatt zur Strommengenabgrenzung für das Antragsjahr 2019, S. 3). Widersprüchlich ist insoweit die Gesetzesbegründung, nach der der dauerhafte Einsatz eines Verbrauchsgeräts gegen die Geringfügigkeit sprechen soll, was dann aber auch bei den vorgenannten Positivbeispielen eine Geringfügigkeit ausschließen könnte. Nicht mehr geringfügig soll nach Auffassung des BAFA der Stromverbrauch von Bautrocknern und gewerblichen Getränkeautomaten sein. Nach der Gesetzesbegründung soll auch Ladestrom kein Bagatellverbrauch sein, es sei denn, er wird von einem Gelegenheitsbesucher bezogen. Eine weitere Typisierung von Bagatellverbräuchen versucht auch die BNetzA in ihrem Hinweis (vgl. BNetzA, Hinweis zum Messen und Schätzen (Konsultationsfassung), S. 27 ff.

Der Gesetzgeber hat keine feste Mengengrenze geregelt. In der Gesetzesbegründung wird lediglich darauf verwiesen, dass der Jahresverbrauch eines gewöhnlichen Haushaltskunden im Regelfall keinen Bagatellverbrauch darstelle, wobei offen gelassen wird, was ein gewöhnlicher Haushaltskunde und dessen Stromverbrauch sein soll (Ein-, Zwei- oder Vier-Personen-Haushalt?). Das BAFA führt insoweit einen Jahresstromverbrauch von etwa 3.500 kWh an, betont aber gleichzeitig, dass dies keine feste Größe sei, sondern die Umstände des Einzelfalls, wie etwa die Größe des Unternehmens und die Mitarbeiterzahl maßgeblich seien. Sowohl die aufgeführten Positiv- und Negativ-Beispiele als auch die unterbliebene Festlegung einer Mengengrenze machen deutlich, wie schwierig hier die Rechtsanwendung ist und welchen Aufwand sie in der Unternehmenspraxis verursacht.

3.     
Zulässige Schätzung von Strommengen

Unter bestimmten Voraussetzungen ist gem. § 62b Abs. 2 EEG die Schätzung von Strommengen zulässig, insbesondere wenn eine mess- und eichrechtskonforme Messung technisch unmöglich oder mit unvertretbarem Aufwand verbunden ist. Das BAFA will die Anforderungen an einen unvertretbaren Aufwand nicht überspannen und verweist auf die Gesetzesbegründung zum sog. Energiesammelgesetz, nach der bei durchmischten Stromverbräuchen an derselben Verbrauchsstelle (wechselnde Nutzung einer Steckdose sowohl durch Dritte als auch durch das antragstellende Unternehmen) im Regelfall von einem unvertretbaren Aufwand einer messtechnischen Abgrenzung auszugehen sei (BAFA, Hinweisblatt zur Strommengenabgrenzung für das Antragsjahr 2019, S. 4; BT-Drs. 19/5523, S. 82). Des Weiteren nimmt das BAFA einen unvertretbaren Aufwand in folgender Konstellation an:

Es kann sich ein unvertretbarer Aufwand auch daraus begründen, dass bei drittbetriebenen Stromverbrauchsgeräten, deren Stromverbrauchsmengen nur unwesentlich oberhalb der Bagatellschwelle liegen, mit zusätzlichen Messungen keinerlei zusätzlicher Erkenntnisgewinn einhergeht, weil die Verbrauchsmengen der entsprechenden Stromverbrauchsgeräte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ohne eine mess- und eichrechtskonforme Messeinrichtung jedes einzelnen Gerätes zuverlässig bestimmt werden können. Dies ist dann der Fall, wenn mehrere gleichartige Stromverbrauchsgeräte unter gleichartigen Einsatzbedingungen eingesetzt und davon einige wenige repräsentativ geeicht gemessen werden und die weiteren Stromverbrauchsgeräte unter Heranziehung des bei der exemplarischen Messung ermittelten Messergebnisses sachgerecht mit Sicherheitsaufschlag geschätzt werden.

Für die Frage, ob eine Schätzung statt Messung durchgeführt werden darf, ist zudem zu klären, ob eine Abgrenzung am vorgelagerten Punkt wirtschaftlich unzumutbar ist, mit der unabgegrenzte Verbräuche des Antragstellers und Dritter gemeinsam als Drittverbräuche behandelt werden.
(BAFA, Hinweisblatt zur Strommengenabgrenzung für das Antragsjahr 2019, S. 4).

Ist eine Schätzung zulässig, hat sie nach Maßgabe des § 62b Abs. 3 S. 2 EEG in einer für einen nicht sachverständigen Dritten jederzeit nachvollziehbaren und nachprüfbaren Weise zu erfolgen. Soweit hierbei Unsicherheiten verbleiben, sind Sicherheitszuschläge anzusetzen. Das BAFA kündigt hierzu folgende Verwaltungspraxis an:

Soweit im konkreten Fall § 35 MessEG keine Anwendung finden sollte, akzeptiert das BAFA jedenfalls den Zählerstand eines von der Messbehörde zugelassenen ungeeichten Zählers als Schätzgrundlage (+ Sicherheitszuschlag). Das BAFA geht zudem davon aus, dass eine vorzeitige Nachrüstung außerhalb des nächsten turnusmäßigen oder außerplanmäßigen Austauschs von bislang ungeeichten, aber befreiten Messstellen mit geeichten Zählern in Fällen von bestehenden Befreiungen einen unvertretbaren Aufwand im Sinne des § 62b Absatz 2 Nr. 2 EEG 2017 darstellt." (BAFA, Hinweisblatt zur Strommengenabgrenzung für das Antragsjahr 2019, S. 5)

4.     
Ausnahmemöglichkeit für geschlossene Grundstücksnutzungen

Eine Ausnahme von der Pflicht zur mess- und eichrechtskonformen Messung regelt § 35 MessEG für geschlossene Grundstücksnutzungen. Diese Ausnahme wurde insbesondere im Hinblick auf Industrieparks und die mangelnde Schutzbedürftigkeit der in diesen ansässigen Unternehmen geschaffen. Für eine Befreiung nach § 35 MessEG muss ein Antrag bei der zuständigen Mess- und Eichbehörde des jeweiligen Bundeslandes gestellt werden, in dem die Voraussetzungen für die Befreiung nachzuweisen sind. Die beteiligten Unternehmen müssen mit der Verwendung einverstanden sein und sich auf derselben, räumlich abgegrenzten Fläche befinden. Sie müssen zudem schriftlich bestätigen, dass sie mit der Befreiung von den Regelungen des MessEG einverstanden sind, ein Qualitätssicherungssystem zur Gewährleistung richtiger Messungen besteht, das den anerkannten Regeln der Technik entspricht, die Vertragspartner jederzeit Zugang zum Messgerät haben und zwischen den Vertragspartnern ein Verfahren zum Vorgehen bei fehlerhaften Messungen vereinbart ist, vgl. § 35 Abs. 1 und 2 MessEG. Nach der Begründung des sog. Energiesammelgesetzes ist eine Befreiung gem. § 35 MessEG auch im Rahmen des § 62b EEG maßgeblich (BT-Drs. 19/5523, S. 80).

5.     
Übergangsbestimmungen

Für Stromverbräuche in den Jahren 2018 bis 2020 regelt die ebenfalls mit dem sog. Energiesammelgesetz eingeführte Übergangsbestimmung des § 104 Abs. 10 EEG Erleichterungen im Hinblick auf zulässige Schätzungen.
Am Ende bleibt die – bislang unbegründete – Hoffnung, dass der Gesetzgeber den Mut aufbringt, seine Vorgaben zu korrigieren, und eine Regelung verabschiedet, die die Drittmengenabgrenzung für alle relevanten Bereiche einheitlich regelt und den Aufwand für alle Beteiligten in einem angemessenen Maß hält. Hoffen und harren!


Autor: Toralf Baumann, Rechtsanwalt, BEITEN BURKHARDT, Telefon: +49 30 26471-390, Email: Toralf.Baumann@bblaw.com